23. Mai, 2006

der tintenkiller

Selten war etwas für mich so sagenumwoben und auch mystisch verklärt wie das Löschblatt und der Tintenkiller. Doch begonnen hat alles ja schon viel früher…
Nämlich zu dem Zeitpunkt im Leben eines Primarschülers, an dem er auf der Leiter der Hackordnung eine Stufe nach oben steigt. Der Tag an dem der Füller kam. In den ersten beiden Klassen hat man ja mit Bleistift geschrieben. Je stumpfer, desto unleserlicher, was mir sehr entgegen kam, da ich auch mit gespitztem Bleistift keine runden Buchstaben hinkriegte (Von hier ein Gruss an meinen 4-6 Klasse Lehrer, der mich mit den Schönschreibnoten TERRORISIERT hat: Ich habs auch ohne schöne Schrift zu etwas gebracht…). Item. Wir haben dem ominösen Tag entgegengefiebert wie selten etwas anderem zuvor. Der eigene Füller. Blau und von Pelikan kam er dann eines Tages in einer schönen Kartonschachtel. Ehrfürchtig haben wir ihn ausgepackt, die erste Patrone reingeschoben und dann quasi den Abzug gezogen und scharf damit geschossen.
Doch oh weh, die ersten Flecken kamen von alleine. Da half auch Mami’s Tintenlumpen nicht mehr. Doch dafür gabs ja das Löschblatt. Lange vor der Inbetriebnahme des Füllers habe ich mir versucht vorzustellen, wie so ein Löschblatt funktioniert. Ich wusste es war weiss und manchmal sah man Tinte drauf. Mehr wusste ich nicht. Darum war wohl meine Fantasie auch so aktiv. Ein Löschblatt. Wie cool ist das denn?! Man legt es drauf und weg ist alles was man geschrieben hat. Wie gross war die Enttäuschung, als der erste Fleck im Reinheft, dem ich mit dem Löschblatt zu Leibe rückte, danach zwar trocken, aber immer noch existent war… An diesem Tag war ich ernüchtert wie selten zuvor. Doch schon bald sollte sich etwas neues in unser Leben einführen, das noch besser als das Löschblatt sein sollte. Der Tintenkiller.
Schon der Name. Da hat die Tinte aber keine Chance mehr. Obwohl verboten, tauchten doch über kurz oder lang in unserer Klasse die ersten Killer auf. Meist via die älteren Geschwister, die zu Lehrern in die Schule gingen, die den Kampf gegen den Killer wohl entnervt aufgegeben hatten. Als ich mich das erste Mal eines Killers behändigte staunte ich nicht schlecht, als die Tinte wirklich gelöscht wurde. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuss, denn mit der blauen Spitze drüberschreiben war zwar möglich, danach sah es aber aus wie Sau. Das blaue Zeugs verlief und bildete unschöne Flecken im Reinheft. Einmal mehr! Und da das Löschblatt ja nicht funktioniert und die blaue Sauce aus dem Killer mit selbigem nicht mehr tilgbar war, sah mein Heft ziemlich unschön aus.
Hat uns aber nicht davon agehalten weiterhin zu killern. Die letzte Ernüchterung in Sachen Tintenkiller folgte ein paar Monate nach dem ersten Killern. Unschön gelblich lugte nämlich das alte geschriebene Wort unter dem neuen hervor und machte das Heft zu einem farbigen Flickenteppich. Kein Wunder waren die Lehrer und die Eltern gegen den Einsatz von Killern.
Ich habe mich in der Folge darum bemüht, ein einigermassen fehlerfreies Deutsch zu lernen. Demzufolge war der Killer dann nicht mehr nötig. Heute mache ich mir diese Gedanken nicht mehr. Wenn ich heute etwas falsch schreibe mache ich das, was unserer Lehrer schon damals propagierten: Ich streiche es durch und korrigiere daneben! 

5 Comments »

  1. Ganz witzig waren die Geheimbriefe, die wir damals mit Tintenkiller geschrieben haben. Um sie zu lesen, musste man ewix mit dem Fülli den Zettel ausmalen. Der Text erschien dann weiss. Super toll! Es hat uns Stunden gekostet. Aber damals hatten wir die Zeit ja noch. Damals. In der Primarschule. Als wir noch jung waren. Heuuul 😉

    Comment von Diva — 23. Mai, 2006 @ 8:58 am

  2. stimmt, da konnte ich mich gar nicht mehr daran erinnern. was auch sehr beliebt war: auf dem löschblatt zeichnen. da hat man in gut 5 minuten eine ganze patrone rausgelassen 😀

    Comment von PAX — 23. Mai, 2006 @ 9:16 am

  3. Und was super top top secret war: Den Text mit Zitronensaft schreiben. Um ihn zu lesen, musste man das Blatt unter eine Kerze halten.

    Comment von sia — 23. Mai, 2006 @ 11:21 am

  4. Kann mir eigentlich jemand sagen was der „Füli-Hype“ in der Primarschule soll? Die armen Linkshänder, die immer alles verschmierten, bzw das Heft umdrehen mussten, um einigermassen fleckenfrei durchzukommen… Schrecklich! Was für eine Wohltat als die Primar endlich fertig war und ich zum Kugelschreiber greifen durfte…

    Meine Theorie ist immer noch, dass die EDK einen geheimen Deal mit Pelikan hat der wohl noch etwa 10’000 Jahre läuft…

    PS: das einzig Lustige damals war, wenn wir die Tintenpatronen „zerstampften“ (= lustige Flecken am Boden), oder den Mädchen in der Klasse die „Kügelisammlung“ (die kleinen Kugeln die in den Tintenpatronen sind) aus dem Etui klauten… 😈

    Comment von Jé — 23. Mai, 2006 @ 12:01 pm

  5. Revolutionär war der Tintenkiller mit blauem Stift am anderen Ende, mit dem man absolut nichts mehr verschmierte.

    Comment von rogerrabbit — 26. Mai, 2006 @ 11:19 am

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