6. August, 2005

bettsport

Category: [daily business] — stephankaelin @ 1:01 p.m.

quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik…

…so tönt es aus der Wohnung über uns. Es ist halb 2 in der Nacht und ein Tropfen Öl würde gewiss nicht schaden. quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik sonst hört man nichts. Keine weiteren Geräusche nur dieses regelmässige quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik. An Schlaf ist natürlich nicht zu denken. Und ich seh schon die männlichen Leser vor mir. Geil, denken sie, gratis Porno (wenn auch nur auditiv). Ich muss dazu entschieden NEIN sagen.

quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik so hats nämlich mal während 3 Monaten JEDE Nacht getönt. Es war eine andere Wohnung, andere Nachbarn, aber das selbe Problem. Pünktlich wie eine Schweizer Uhr um halb 1 in der Nacht begann das quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik. Beim ersten Mal hatte ich noch Freude und dachte, hmm, das hab ich jetzt so live auch noch nie gehört. Interessant. Als es nach 20 Minuten zu Ende war, drehte  ich mich und wollte einschlafen. Doch keine 5 Minuten später quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik. Achso, die zweite Runde. Na ja, wir waren auch mal jung 😉 Zum quiik-quiik-quiik-quiik mischten sich bei diesem Paar noch sehr laute Aaaaaah aaaahhhhh, jaaaaaa, jaaaaa. Nach der zweiten Runde fand auch ich meinen wohlverdienten Schlaf.

quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik ok, meine Nachbarn sind immer noch mittendrin, ich kann also mit der Geschichte weiterfahren.

Nach einer Woche quiik-quiik-quiik-quiik und Aaaaah fand ich es nicht mehr ganz so lustig. Zumal die Lautstärke wirklich so hoch war, dass man das Gefühl hatte die Beiden würden in meinem Bett liegen. Zudem begannen diese Doppel- und Dreifachrunden jede Nacht etwas an meinem Selbstwert zu nagen. Um die kognitive Dissonanz etwas zu reduzieren redeten meine Mitbewohnerin und ich uns ein, dass da wahrscheinlich Pornos gedreht würden oder Professionelle am Werk waren (was sicher nicht stimmte…). Unsäglich lästig war es vor allem auch, weil das genau in die Zeit meiner Abschlussprüfungen an der Uni fiel. Wir sollten eigentlich am Morgen früh aufstehen und lernen gehen. Da aber vor halb 2 nicht an Schlaf zu denken war geriet dieses Unterfangen arg in Bedrängnis. Deshalb geniesse ich Bettsport von Nachbarn nicht mehr ganz so unbefangen. 

quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik-quiik. Von der Kadenz her ist das kein lovemaking [
makeing.jpg] sondern wildes Rammeln.

Natürlich schweigen sich alle darüber aus, was man in der Nacht so hört. Wieso eigentlich? Wieso soll ich am Morgen im Treppenhaus nicht einfach mal ein kollegiales
emoticon in die Runde werfen? Oder eine kleine Ölkanne vor die Türe stellen? Vielleicht kumpelhaft zuzwinkern, oder fragen, ob es für sie genauso schön war wie für mich. Obwohl, dann würden sie wahrscheinlich keinen Sex mehr haben. Und das wär dann doch schade um die Beiden. So oft hör ich es ja nicht. Und nicht zuletzt mag ich es ihnen auch gönnen.

(silence) ok, dann gute Nacht. 

30. Juli, 2005

siegfried & roy?

Category: [daily business],[fun] — stephankaelin @ 1:06 p.m.

Heute geh ich ganz unspektakulär in den COOP einkaufen und was seh ich da bei den Gratisinseraten??? Richtig ein Inserat mit folgendem Inhalt:

 

Alea & Lady Lovers Nun hat mich das ziemlich erstaunt. Denn erstens habe ich nicht erwartet, dass die beiden Magier plötzlich in der Schweiz auftauchen.

Zweitens habe ich immer gedacht, die beiden seien ein Paar. Nun sind sie plötzlich Lady Lovers? Ich versteh die Welt nicht mehr.

Drittens sieht die Dame in der Mitte der früheren Madonna ziemlich ähnlich oder nicht?

Viertens, Musik und Show in jeder Grösse? Was soll das denn bitte bedeuten? Wird da auch noch gestrippt?

Last but not least muss ich sagen, dass mir Leute mit einer Vokuhila-Frisur nach wie vor suspekt sind.  Ich rate vom Buchen dieser Truppe ab emoticon

shanty town

Category: [daily business],[gallerie],[politik] — stephankaelin @ 12:32 p.m.

Am Ufer der Sihl tut sich politisches. Seit gestern entsteht da eine improvisierte Stadt: Shanty Town. Die Initianten wehren sich gegen die aktuelle Stadtentwicklung und gegen das herausgeputzte Global Zurich (auch Downtown Switzerland genannt)…

Sie setzen damit den Protest gegen das fort, was in den vergangenen Monaten immer wieder Thema war, die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. Zum Beispiel die Bärenaktion. Für nicht-Zürcher: In der Innenstadt werden seit ca. 2 Monaten diverse Bären ausgestellt (also kunstvoll bemalte Kunstbären natürlich). Initiiert von der City-Vereinigung, der die Geschäfte der Innenstadt angehören. Eine alle 5 Jahre wiederkehrende Idee, für die Touristen irgendwas an die Bahnhofstrasse zu stellen, damit die was zu fotografieren haben. Gegen diese kommerziellen und verdummenden Aktionen wehrten sich verschieden Gruppierungen. Des Weiteren wird die Verdrängung der alternativen Kultur angeprangert und mehr Wohnraum gefordert.

Dies zumindest ein Anliegen, welches ich gut nachvollziehen kann. Ich wohne mitten in der Stadt und unser Haus ist umgeben von Bürohäusern. Aber der Bürohäuser nicht genug, neben uns wurde in den letzten 1.5 Jahren ein neues gebaut. Das ist mittlerweile fertig gestellt. Es beinhaltet ein paar Wohnungen (im Hochpreissegment, was ziemlich doof ist, weil die Aussicht gerade mal bis ans benachbarte Bürogebäude reicht), vielen Büros und einen Laden. Bis auf die Wohnungen ist in diesem Haus immer noch nichts vermietet, weil An Büroräumlichkeiten in der Stadt Überfluss herrscht. Was fehlt sind Wohnungen. Aber die werden im Hochpreissegment gebaut, damit Familien garantiert keine Chance haben, sich in der Stadt niederzulassen.

Über kurz oder lang führt das zu einem Aussterben der City. Wohnraum wird vermehrt an den Rand gedrängt (mal abgesehen von den paar Reichen, die sich für 5000 CHF eine 3 Zimmerwohnung in der City leisten können). Schade, die Stadt Zürich wäre doch prädestiniert, um darin zu wohnen und nicht nur um darin zu arbeiten. 

Bezüglich der Kultur hab ich schonmal auf den leider geringen Stellenwert der alternativen Kultur in Zürich hingewiesen. Ein weiterer Kommentar erübrigt sich, Wohlgrot lässt grüssen. 

 

Shanty Town ist übrigens eine zeitlich begrenzte Aktion. Zu sehen voraussichtlich bis zum 1. August. Ein Tagesausflug nach Zürich wär also wieder mal angesagt 🙂 

 

 

Shanty Town 

 Shanty Town

 Shanty Town

 

 Shanty Town

 Shanty Town

 Shanty_small07.JPG

 Shanty Town

 Shanty_small04.JPG

 

 

Imagewerber Elmar Lebenverderber (Eine Anspielung auf unseren Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber) emoticon

 

21. Juli, 2005

hitler im bahnhof

Category: [daily business],[politik] — stephankaelin @ 8:18 a.m.

Heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit sah ich im Hauptnahnhof einen Mann mit einem Hitlerschnauz (im Ausland wahlweise auch Schnurrbart oder Oberlippenbart genannt). Das liess mich etwas verstört zurück. Ich wusste nicht, dass das jetzt wieder salonfähig ist und glaube persönlich, dass es das eben nicht ist. Für mich gibts eigentlich nur zwei Erklärungen für das Tragen eines solchen Schnauzes.

  1. Der Mensch ist dumm. Er weiss vielleicht um die Geschichte,  findet aber das sei lange her… Geradesogut könnte er seinen Sohn Adolf taufen (Wieso heisst Adolf Ogi mit Jahrgang 1942 eigentlich so!?). Ich kann dem kein Verständnis entgegen bringen (vielleicht bin ich aber auch einfach zu  borniert).
  2. Der Mensch hat eine gewisse Affinität zu rechtsnationalen Kreisen und ist somit auch dumm.

Ich finde persönlich keinen Grund, wieso es was bringen sollte, sich einen solchen Schnäuzer zu rasieren. Es gibt doch heute so viele Arten, sich in der Gesichtsbehaarung auszutoben, dass man diese eine Variante doch getrost einmotten kann. ODER NICHT?

20. Juli, 2005

sommerferienzeit

Category: [daily business] — stephankaelin @ 8:33 a.m.

Heute Morgen, als ich mich langsam in Richtung Bahnhof begab merkte ich plötzlich, dass  etwas anders war als sonst. Auf den ersten Blick fiel mir nicht auf was, aber nach 2 min. merkte ich, dass mich noch keiner gerammt hatte. Da machte ich die Augen auf und sah…

….praktisch nichts. Die Strasse war leer. Wat is dat denn, hab ich mich gefragt und mir die Anwtwort gleich selber geben können; SOMMERFERIEN. Herrlich. Ich liebe es, zur Arbeit zu gehen, während die anderen Leute an der Sonne liegen. Glaubst du mir nicht? Ist aber so.

Es gibt nichts mühsameres, als aus einer grossen Stadt HINauszupendeln. Ich komme mir jeweils vor, wie wenn ich der einzige wäre, der nicht nach Zürich kommt, sondern von dort verschwindet. Und das ist anstrengend. Es ist ein tägliches gegen den Strom schwimmen. Die Leute fallen im Bahnhof in Zürich ein und belegen jeweils den gesamten Bahnsteig und die gesamte Treppe. Dass es auch Leute gibt, die den Zug in die andere Richtung nehmen möchten, kommt diesen Leuten selten in den Sinn. Man stösst auf wenig Verständnis, wenn man sich gegen diesen Strom stellt. Man wird beinahe umgemäht und die Arroganz, welche dabei an den Tag gelegt wird sucht ihresgleichen. Die Mienen der Leute sagen schon von weitem: "Weg da, wir sind wichtig, wir arbeiten in Zürich!" Jeder, der ’nur‘ in Zürich wohnt, da aber nicht arbeitet, ist ein totaler Versager und darf im morgendlichen Stossverkehr gnadenlos umgemäht werden.

Da lob ich mir doch die Sommerferien. Da sind all die militanten Agglos in den Ferien (wahlweise in Spanien oder im Engadin, je nach Alter) und ich kann bequem zum Zug laufen, finde dort ohne Kampf einen Sitzplatz im klimatisierten Wagen, der mir nicht durch eine Schulklasse auf Schulreise streitig gemacht wird, und kann die Zugfahrt ohne Lärm geniessen. Am Wochenende hats in den Badeanstalten am See und am Fluss massiv weniger Leute, die Stadt ist leer im Vergleich zu sonst. Wie herrlich, ich bleibe!

12. Juli, 2005

konstanz? nein, konstanz!

Category: [daily business],[sprachlese] — stephankaelin @ 8:31 a.m.

themen_cat2_d.jpgEs ist ein altes Thema, aber immer wieder für ein Schmunzeln gut. Die Betonung gewisser Wörter hier in der Schweiz. Wir betonen ja bekanntlich eher auf der ersten Silbe, während unsere Nachbarn aus dem Norden betonungsmässig die zweite vorziehen. Das führt dann zu schönen Dingen wie St. Moritz, bei dem wir Schweizer uns oft fragen, ob es denn so schwierig sein kann, ein Wort richtig zu betonen. Nun, die Deutschen betonen es schon richtig, nur nach ihren Regeln, die für sie ja tagtäglich Gültigkeit haben. Der langen Rede kurzer Sinn, wir betonen unterschiedlich.

Nun fällt mir auf der neuesten Werbung unserer Bundesbahnen obenstehendes Bild auf. Und zum ersten Mal in meinem Leben bemerke ich, dass diese Ortschaft in der Schweiz und in Deutschland unterschiedlich wahrgenommen wird. Rein betonungsmässig heisst diese Ortschaft nach oben hergeleiteter Regel in der Schweiz Konstanz. In Deutschland heisst sie aber Konstanz. Das wirft doch einige Fragen auf. Wie sind die Menschen in Konstanz denn so drauf? In einer Zeit, die schnelllebiger und vergänglicher kaum sein könnte gönnt sich eine Gemeinde diesen Namen. Ist doch wunderbar. Und dieser Ort ist nicht irgendwo, sondern an der Schengen-Aussengrenze (noch!). Die letzte Bastion des "old Europe", das letzte Mal so etwas wie Sicherheit und Althergebrachtes. Danach folgt Wildnis, gottloses Gebiet…

 

zuerich.jpgÜber diese Werbung kam ich ein Bisschen ins Grübeln und da fiel mir die gute alte Wohlgroth wieder ein. Für nicht-Zürcher, eine ehemals besetzte Fabrik, die in ein alternatives Zentrum umgewandelt wurde. Die Leute der Wohlgrot (die übrigens direkt am Hauptbahnhof situiert war) hatten in grossen Lettern auf die Hauswand der Fabrik Zu reich geschrieben,zuerich1.jpg im gleichen Stil wie die SBB ihre Bahnhöfe anschreibt. Es war immer ein herrliches Bild, in Zürich einzufahren, das Riesen-Graffiti Alles wird gut zu sehen und darunter stand Zu reich. Eine Kreativität, die ich heute vermisse. Nun, die Wohlgrot wurde abgerissen, in Zürich hatte die alternative Kultur schon immer einen schweren Stand. Aber kürzlich stieg ich in Zürich aus dem Zug und mir kam diese Geschichte wieder in den zuerich3.jpgSinn, und ich schaute mir diese Tafeln an und merkte, dass mit einer kleinen Klebeaktion auch englischsprechende Touristen auf eine Eigenheit unserer Stadtbürger hingewiesen werden könnten. In Gedanken sah ich mich schon zu Hause blaue Folie vorbereiten… Irgendwie wurde dann aber doch nichts draus, weil die alternative Kultur in Zürich…, na ihr wisst schon 😉

                                 

 

9. Juli, 2005

ikea – viren?

Category: [daily business] — stephankaelin @ 2:45 p.m.

Gestern wieder mal bei Ikea gewesen. Wie immer eigentlich ohne grosse Pläne, was denn zu kaufen sei, aber wie immer mit zwei prall gefüllten Tüten wieder nach Hause gekommen. Während des (zugegebenerweise) eher mühsamen, weil anstrengend für den Bewegungsapparat, Einkaufens sind mir zwei Dinge aufgefallen.

  1. Es scheint bei Ikea Sitte zu sein, neue Mitarbeiter an der Kasse während der Stosszeit einzuführen. Weshalb dem so ist, darüber kann nur spekuliert werden. Klar ist aber, dass es meiner Laune nicht sehr förderlich war, nach 15 min. anstehen zu merken, dass ich in einer Schlange stehe, die so langsam vorwärtskriecht, weil am Scanner zwei Personen standen, wovon die eine eben offensichtlich neu war. Ich frag mich in solchen Momenten schon, wie hoch die Anforderungen denn sein müssen, um mit einem Scanner die Preisschilder einzulesen. Aber scheinbar unterschätze ich diesen Vorgang massiv, denn wenn man vom Tempo der Verkäuferin auf die Komplexität der Arbeit schliessen kann, hat diese gute Frau wahrscheinlich gleichzeitig noch Kernspaltung betrieben, oder aber hatte einen Versuch für den Nobelpreis in Physik am Laufen. Ich verstehs heute noch nicht, und wenn ich nicht in die Schlange daneben gewechselt hätte, würde ich wahrscheinlich immer noch da stehen.

  2. Die Namensgebung war bei Ikea schon immer ein Grund um sich zu amüsieren (man denke nur an das Kinderbett Gutvik) Gestern fiel mir aber ein neues Beispiel auf, dass ich erwähnenswert finde. Es handelt sich um die WC-Bürste VIREN. Dahingestellt sei, ob diese schon drin sind, wenn man die Bürste kauft, oder aber die Bürste so benannt ist, weil VIREN diese Bürste erst komplett machen. Ich weiss es nicht. Sie kostet übrigens CHF 2.95, der Preis ist jedoch von den Optionen abhängig. Hmmm, Optionen? Mit Motor? Vergoldet? Sehr wahrscheinlich mit VIREN. Wer es nicht glaubt, schaut selber nach:

          VIREN            WC-Bürste VIREN

 

4. Juli, 2005

mein lieblings t-shirt

Category: [daily business] — stephankaelin @ 7:50 p.m.

hat leider seine besten Tage gesehen. Gekauft anno 1997 anlässlich der Reunion-Tour von The Who. Seither immer wieder getragen. Logischerweise auch gewaschen. Der Stoff ist an manchen Stellen so dünn, dass man durchsieht. Und jetzt hats eben Löcher bekommen. 🙁 Deswegen fortwerfen? Niemals!

 

:-(

3. Juni, 2005

im dschungel

Category: [daily business] — stephankaelin @ 6:16 a.m.

Herbst. Samstag Nachmittag. Nassgraues Wetter. Wohliges Eintauchen in die Wärmeschleuse des Kaufhauses. Verweilen während eines Bruchteils einer Sekunde und jedes Mal wieder dieselbe Frage, warum wohl dieses Gefühl so angenehm ist. Wahrscheinlich weil es symbolisch den invertierten Geburtsvorgang darstellt, noch wahrscheinlicher ist es eine schöne Erinnerung an meine Kindheit. Und diese werden ja mit zunehmendem Alter immer weniger. Am Wahrscheinlichsten ist aber, dass man dem nasskalten Wetter entflieht in so etwas wie eine vorgegaukelte Geborgenheit eintaucht, die aber definitiv keine sein kann. Doch die Zeit drängt, die Leute auch. Wir werden weitergespült. Und meine Stimmung sinkt so rasend schnell wieder, wie sie zuvor gestiegen war. Mein Auge erblickt die Parfüm- und Kleisterverkäuferinnen, die (zumindest räumlich gesehen) unterste Stufe der Kaufhaushierarchie. Sie stehen da, diese austauschbaren Geschöpfe, mit durch ihre Produkte plattgekleisterten, entemotionalisierten Gesichtern und preisen ihre Waren an, von denen sie, wie mir scheint, auch nicht restlos überzeugt sind, und die den besten Beweis dafür darstellen, dass diese Crèmes und Wässerchen nicht glücklich machen, oder zumindest nicht diejenigen, die sie auf- und tragen.

Wir bahnen uns den Weg durch diese Wohlfühlwelt, zu den Coiffeurartikeln, denn wir haben eine Mission; wir suchen eine Schere. Nicht Papier sondern Haare soll sie schneiden können, wobei mir als Laien eigentlich nicht ganz klar wird, wie genau sich eine Haar- und eine Papierschere unterscheiden. Aber das ist jetzt auch egal. Wir suchen eine Schere. Haare schneiden, zumindest beim Mann nicht immer eine Frage der Eitelkeit und bei mir schon gar nicht. Obwohl der Universität entronnen, prägt mich das studentische Budget weiterhin und ich lasse folgerichtig, den Coiffeur vom Schneiden des Damenhaars leben. Meine Haare werden von meiner Freundin geschnitten. Aber dazu reicht heute eine normale Schere nicht mehr, dazu muss es eine Haar-Schere sein. Wir finden das gesuchte Produkt dank meiner Freundin innert einer halben Minute. Ohne sie hätte es wahrscheinlich eine halbe Stunde gedauert, da Männer bekanntlich das Gehirn in eine Art Dämmerzustand versetzen, wenn sie ein Kaufhaus betreten und ich da keine Ausnahme darstelle. Die vielen Leute und Dinge überfordern das doch eher auf „eins nach dem anderen“ ausgerichtete Denken des durchschnittlichen Mannes. Egal, wir haben die Schere. Keine Schlange vor der Kasse und es scheint eine gute Chance zu bestehen, dass wir das Kaufhaus, diesen ungastlichen Ort innerhalb von fünf Minuten wieder verlassen können. Während meine Freundin in der Zeitspanne, in der ich gerade mal schaffe ein Kaufhaus zu betreten, noch schnell ein paar Parfüms anschaut, steuere ich geradewegs (denn das können wir dank unserem Jagdinstinkt und dem, gegenüber dem weiblichen sehr eingeschränkten Gesichtsfeld hervorragend) die Kasse an, die wie gesagt geradezu nach Kundschaft zu lechzen scheint. Zwei Verkäuferinnen, welch ein Luxus, und erstaunlicherweise haben sich die beiden ausgerechnet heute einmal NICHTS zu erzählen. Ich kann mein Glück nicht fassen, bezahle und will mich bereits wieder auf den Weg machen, als die Verkäuferin noch schnell ein Muster für meine Freundin in den Sack steckt. Parfüm. Klar, die Verkäuferin hat mitbekommen, dass meine Freundin neue Düfte testet. Nach einem prüfenden Blick in mein Gesicht, hat sie auch für mich noch das richtige Werbegeschenk gefunden und lässt es mit einem bemitleidenden Lächeln im Plastiksack verschwinden. Warum hat sie während dieser kurzen Zeitspanne zwischen meine Augen geschaut? Oder hat sie mir in die Augen geschaut, versucht zu flirten und ich habe es wieder einmal nicht gemerkt? Doch da dämmert es mir, zwischen meinen Augen befindet sich momentan ein aufgekratzter Mitesser und mit aufgekratzt meine ich nicht seine Stimmung, sondern seine physische Form. Warum ich ihn aufgekratzt habe? Damit es meine Freundin nicht tut. Obwohl Frauen das nicht als aufkratzen, sondern als quasi operativen Eingriff sehen, den sie meisterhaft ausführen können. Mir ist schleierhaft, wie man sich ab dem Ausdrücken eines Pickels so erfreuen kann, dennoch kenne ich keine Frau, die das nicht gerne tut. Wieso eigentlich finden Frauen das so interessant und machen es so gerne? Am Körper herummanipulieren bis eine Flüssigkeit herauskommt kann man beim Mann auch an anderen Stellen, an denen er sich mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht so ziemen würde. Aber da scheint es dann doch gewaltige Unterschiede bezüglich des austretenden Saftes zu geben. Ekelt sich doch keine der pickeldrückenden Damen vor dem was aus dem Pickel, aber eine nicht kleine Anzahl vor dem was aus dem ebenfalls manipulierbaren Geschlechtsteil kommt. Aber lassen wir das. Die Verkäuferin hat also meinen Pickel gesehen und auch mir ein Muster mit in den Plastiksack gesteckt. Als mir dieser Zusammenhang bewusst wird schwant mir Böses. Ich nehme das Muster heraus und lese was darauf steht: LAB SERIES FOR MEN, NIGHT RESCUE, SKIN REVITALIZING THERAPY. Zack, neben dem Pickel zwischen den Augen nun auch noch die Faust darauf. EIN Pickel! Und gleich braucht man die NIGHT RESCUE? Und bleibt es bei dieser Crème oder aktiviert die Verkäuferin gleichzeitig einen Code der dann in der NIGHT RESCUE Zentrale Alarm auslöst und 20 Kosmetikerinnen zu mir nach Hause schickt? Zugegeben, ein Pickel im Gesicht ist kein schöner Anblick. Aber ich bin immer noch stolz darauf in einer, vom Schönheitswahn umzingelten, Gesellschaft einen Makel und somit Charakter zu haben. Ich werte das als Zeichen meiner Haut, dass sie lebt, was sie ja auch darf. Hier mit Salben Abhilfe zu schaffen habe ich seit der Pubertät, während der das Aussehen einen weit grösseren Stellenwert hatte, nicht mehr versucht und auch nicht gewollt. Und diese Verkäuferin mit ihrem Mitleid und der ichhabdagenaudasRichtigefürSie-Mentalität ändert daran auch nichts. Im Gegenteil. Einschränkung der persönlichen Freiheit bewirkt Reaktanz und in meinem Fall ein vermehrtes Zuführen von fetthaltiger Nahrung. Es lebe die Freiheit, anders sein zu dürfen.Etwas konsterniert begebe ich mich in Richtung Geburtskanal und das Kaufhaus entbindet mich wieder einmal in die Welt, die richtige, welche sich immer noch grau und samstäglich darstellt und somit hervorragend zu meiner Stimmung passt.

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